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1923

1923 – 

     
02.04. Eupen, Jünglingshaus Frühjahrskonzert am Ostermontag
     
     
     
     
     
     
 
 

2. April 1923: Ostermontag-Konzert
Voller Saal als Würdigung der Eupener Bürgerschaft

Wie in den letzten Jahren, hatte auch vorgestern der MGV Marienchor seine zahlreichen Mitglieder und Freunde zu einem Ostermontag-Konzert gebeten. Es muss als ein die Bürgerschaft Eupens ehrendes Zeichen gewertet werden, wenn trotz der vielen anderen Gelegenheiten zur Betätigung des Vergnügungswillens der große Saal des Jünglingshauses fast gar keine Lücke aufwies, und eine begeisterte Menge lautlos den Darbietungen des Vereins und der Solisten folgte. Möge der Verein hierin eine kleine Anerkennung der Bürgerschaft Eupens sehen, welche auf diese Weise die wahrhaft vornehme Betätigung der Mitglieder bei den religiösen Veranstaltungen in der Fastenzeit (Missionsfest und Aufführung von Calderon’s Spiel „Die Geheimnisse der hl. Messe“) anerkennen wollte. Dem Verein selbst war durch diese Betätigung allerdings sehr viel Zeit zu den unbedingt nötigen Proben genommen worden. Aber trotzdem bot er einige Erstaufführungen. Zwar ist die Anzahl der Sänger nicht hinreichend, um schwerstes Geschütz auffahren zu lassen, aber das, was er gestern abgab, konnte in der vornehmen ruhigen Art der Darbietung auch vornehme Ohren befriedigen.

Durch die Zuziehung erster Solisten des Stadttheaters Aachen – Maria Janowska, erste dramatische Sängerin, Fritz Dreher, Tenor, sowie des Harfenmeisters Sohn und Pianist Seiffert, vom Städtischen Orchester in Aachen – hatte man ein Übriges getan, um ein zugkräftiges Programm zusammenzustellen, das trotz seiner Länge die Hörer bis zum letzten Augenblick wegen seiner Vielseitigkeit fesseln konnte. Frl. Janowska sang die große Arie der Agathe aus Webers „Freischütz“, Lieder von Brahms und Richard Strauß, und das große Duett der Hanne mit Lukas aus Haydns „Jahreszeiten“, ferner in Gemeinschaft mit Fritz Dreher Duette von Schumann. Wie man sieht, keine leichte Aufgabe. Doch entledigte sich die Sängerin derselben mit erstaunlicher Frische und Meisterschaft. Überraschend schön gab sie die einer dramatischen Sängerin weniger gut liegenden Duette des Romantikers Schumann wieder. Natürlich erzwang sie sich mit der großen Arie sowie den ihrer Eigenart zusagenden Liedern von R. Strauß den stürmischen Beifall der dankbaren Zuhörer. Fritz Dreher, augenscheinlich etwas indisponiert, vermochte trotzdem durch die vornehme Art seines Singens  und die diskrete Zurückhaltung und Anpassungsfähigkeit seiner Partnerin gegenüber, die Zuhörer zur Anerkennung seiner anstrengenden und geistig streng durchgearbeiteten Leistung hinzureißen. Besonders das Duett aus den „Jahreszeiten“, sowie die Lieder von Philipp Gretscher verdienten höchstes Lob.

Den Solisten ebenbürtig zur Seite als Begleiter stand der Pianist Seiffert aus Aachen. Schade, dass für solche Meister kein besseres Instrument zur Verfügung steht. In überaus künstlerischer Weise entledigte er sich seiner Aufgabe und von dem Beifall,  der den Leistungen der Solisten folgte, kann er mit gutem Gewissen einen großen Teil für sich beanspruchen. Der Instrumentensolist spielte eine Fantasie aus „Martha“, eine Romanze sowie einen Walzer und errang sich mit diesen Gaben einen vollen Erfolg. Es war keine schwere, hypermoderne Kost, die er uns vorsetzte, aber doch in ihrer Eigenart und in der Art ihrer Darbietung durch den Künstler, löste sie den Dank ihrer Zuhörerschaft nicht minder aus, wie die andern solistischen Stücke der Vortragsfolge. Auch das altbewährte Soloquartett trug mit seinen Weisen viel zum Gelingen des Abends bei. Besonders im zweiten Teil des Konzerts vermochte es durch sein geradezu bewundernswertes Zusammensingen seiner vier Sänger in hohem Maße zu befriedigen und Ansprüche auf höchstes Lob zu rechtfertigen.

Die Leitung der ganzen Aufführung lag in der sicheren Hand des Herrn Musiklehrer und Organisten Willy Mommer. Wir sind ihm zum Dank verpflichtet, wenn die Zusammenstellung der Vortragsfolge trotz ihrer Länge für jeden Kunstgeschmack etwas Passendes brachte. Auch mit der einfachen sicheren Art seiner Stabführung, die auf stärkere körperliche Gesten verzichtete, kann man sich gewiss einverstanden erklären, denn es schien uns, dass er trotzdem seine Sänger fest in der Hand  hatte und mit der ruhigen Sicherheit des kundigen Musikers die Partitur meisterte.


© Eupener Zeitung, Mittwoch, 04. April 1923